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Moraes Moreira

Josevaldo Santana de Jesus Junior, Salvador da Bahia, Übersetzung: Lea Hübner

“... Eu tenho medo do excesso
Que seja em qualquer sentido
Mas também do retrocesso
Que por aí escondido
As vezes é o que notamos
Passar o que já passamos
Jamais será esquecido”...

„Ich fürchte den Exzess
gleich welcher Art
so wie den Rückschritt
wie wir ihn manchmal wie nebenbei wahrnehmen
nämlich dass geschieht,
was schon einmal geschah
und niemals vergessen werden wird …“

Quarentena - Moraes Moreira, 2020

Strophe aus “Quarentena”, dem letzten veröffentlichten Werk von Antônio Carlos Moreira Pires, so der bürgerliche Name eines der wichtigsten Musiker der Música Popular Brasileira – als Moraes Moreira machte er sich in der brasilianischen Musikszene einen Namen. Am 13. April dieses Jahres  starb er in Rio de Janeiro an einem Herzinfarkt.
Moreira wurde in Ituaçu, im Landesinnern von Bahia, geboren und trat zunächst als Akkordeonspieler auf Junifesten in Ituaçu und Umgebung in Erscheinung. Solche Auftritte standen am Anfang der musikalischen Karriere Moreiras, der einer der vielseitigsten brasilianischen Musiker war. Mit 19 Jahren ging er nach Salvador, der Hauptstadt von Bahia, wo er Tom Zé und andere Ikonen der Música Baiana kennenlernte. 1969 tat er sich mit Baby do Brasil, Pepeu Gomes, Luiz Galvão und Paulinho Boca de Cantor zusammen, mit denen er die Gruppe Novos Baianos gründeten. Die Gruppe war stark von der Gegenkultur und dem Tropicalismo beeinflusst und ihr Repertoire bediente sich verschiedener Musikgenres, kombinierte Elemente des Samba, Bossa Nova, Rock mit dem Genie der einzelnen Bandmitglieder. In der Zeitschrift Rolling Stone belegte  die LP “Acabou Chorare-1972” der Novos Baianos 2007 Platz Eins der 100 wichtigsten Platten der brasilianischen Musik, die Liste enthält Namen wie Caetano Veloso, Cartola, Raul Seixas und viele andere Vertreter der brasilianischen Musik.
     Trotz seines Erfolgs mit den Novos Baianos entschied Moraes Moreira sich 1975 einen anderen Weg zu gehen als seine bisherigen Bühnengefährten. Er wird Sänger des Trio Elétrico de Dodô e Osmar, neben Armandinho, Osmars Sohn. Seine Präsenz als Bandmitglied revolutionierte die Art, wie man in Brasilien Karneval feiert: er war der Erste, der beim Karnevalsumzug singend auf einem Wagen stand. 1975 nahm Moraes Moreira mit Dodô e Osmar das Album “Jubileu de Prata” [Silber-Jubiläum] auf, mit dem sie die an die 25 Jahr des Bestehens des Trio Elétrico feierten, das 1950 von Adolfo Antônio do Nascimento und Osmar Álvares Macedo als Duo Dodô und Osmar gegründet worden war, beide Ikonen des Karnevals von Salvador und damit des größten Straßenfestes der Welt.
    Während der rund 50 Jahre, die Moraes Moreira als Musiker aktiv war, nahm er gemeinsam mit anderen namhaften Musiker*innen über 40 Alben auf, er tummelte sich in ganz verschiedenen musikalischen Stilrichtungen und demonstrierte mit seinen einzigartigen Kreationen eine enorme künstlerische Vielseitigkeit.
     Moraes Moreira zählt ohne Zweifel zu den wichtigsten Vertretern der brasilianischen Kunst. Sein Schaffen leistete einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Kunst und Kultur in Brasilien. Er wird auf ewig seinen Platz in der brasilianischen Musik innehaben. Die Stücke, die er komponierte, und seine Auftritte werden unvergessen bleiben. “Alegria, alegria é um estado que chamamos Bahia” [dt. sinngemäß: Freude ist ein Zustand, den wir Bahia nennen], heißt es in dem Lied “Chame Gente” von 1985, aber Freude kann auch heißen: Moraes Moreira. Bahia dankt ihm für sein Schaffen. Brasilien dankt ihm für sein Schaffen. Die Kunst dankt ihm für sein Schaffen.

Ausgabe 161/2020